Wirksamer Schutz vor Entwaldung braucht enge Partnerschaft mit Brasilien
Brasilien ist ein agrarwirtschaftliches Schwergewicht und zugleich ein bedeutender Handelspartner. Darum ist es wichtig, dass sich das Land mit Blick auf die aktuelle EU-Gesetzgebung für “entwaldungsfreie” Lieferketten nachdrücklich zu Wort meldet. Der globale Kampf gegen Entwaldung kann ohne eine enge Partnerschaft zwischen der EU und Brasilien nicht gewonnen werden. Ein Miteinander auf Augenhöhe ist überfällig.
Rund 15 Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot aus Brasilien werden jährlich in die EU eingeführt. Besonders die europäische Futterwirtschaft ist auf die Versorgung mit brasilianischer Soja angewiesen.
Viele sehen in Soja aus Brasilien vor allem einen Treiber der Tropenwaldzerstörung. Aber verkürzte Sichtweisen bringen uns im Kampf gegen Entwaldung nicht weiter! Die meisten Unternehmen der ölsaatenverarbeitenden Industrie engagieren sich in und mit den Erzeugerländern seit Langem erfolgreich für die nachhaltige Transformation der Lieferkette. Wir verfügen über Erfahrungen und Instrumente, die sich in der Praxis vielfach bewährt haben. Hierzu zählen das Soja-Moratorium, das Soft Commodities Forum, die FEFAC Soy Sourcing Guidelines, der Einsatz von Nachhaltigkeitszertifizierung und die Zusammenarbeit mit Farmern und Kooperationen in den vielen Projekten vor Ort.
Richtig ist: Es gibt noch viel zu tun. Darum ist es gut und wichtig, dass die Europäische Union ihre Verantwortung wahrnehmen will und ein Gesetz auf den Weg bringt, das ein Level-Playing-Field für Europa im globalen Kampf gegen Entwaldung schafft. Die ölsaatenverarbeitende Industrie unterstützt dieses Vorhaben ausdrücklich. Ein solches
Gesetz kann aber nur Erfolg haben, wenn es auf gute bestehende Instrumente aufbaut, der Komplexität und Vielfältigkeit der betreffenden Rohstoffmärkte und Lieferketten gerecht wird, und vor allem: wenn es auf starke Partnerschaften mit den Haupterzeugerländern setzt, um die Probleme vor Ort zu lösen.
Die Verordnung, die das EU-Parlament in Kürze verabschieden will, erfüllt keine dieser Bedingungen. Sie ist weit entfernt von der komplexen Realität des Sojaanbaus und den Warenströmen aus Brasilien und wird in vielen Erzeugerländern des globalen Südens als Diskriminierung empfunden.
Es gilt nun, nach vorne zu blicken. Die Verordnung wird voraussichtlich Mitte dieses Jahres in Kraft treten und dann, ab 2025 für die betreffenden Rohstoffe gelten, ein überaus ehrgeiziger Zeitplan. Auf dem Weg dorthin sind von Wirtschaft und Verwaltung gewaltige Aufgaben zu bewältigen. So sind z.B. künftig mit jeder Schiffsladung Hundertausende von Geolokalisationsdaten weiterzugeben und zu verarbeiten. Lager und Transportinfrastruktur müssen ausgebaut und massenhaft umfangreiche Sorgfaltspflichtenerklärungen für alle Einfuhren in die EU administrativ bewältigt werden. Wie das funktionieren soll, fragen sich derzeit nicht nur die betroffenen Branchen. Auch die Verwaltung der Union und ihrer
Mitgliedstaaten sind noch lange nicht aus den Startlöchern.
Die EU-Kommission ist gefordert, zusammen mit den EU-Mitgliedstaaten Antworten zu liefern, damit Unternehmen die neuen Vorschriften nach Inkraftreten rechts- und handlungssicher umsetzen können.
Vor allem muss die EU nun schnell auf die Herkunftsländer zugehen, um ihren Teil dazu beizutragen, dass dort die enormen logistischen, technischen administrativen und finanziellen Anstrengungen geleistet werden können. Ein paar entwicklungspolitische Leuchtturmprojekte werden nicht reichen.
Ich möchte darum die neue Regierung Brasiliens, aber auch die Vertreter der brasilianischen Agrarwirtschaft sowie die Akteure der Nachhaltigkeitsprojekte vor Ort ermutigen, ihre Positionen und Erwartungen mit Blick auf die Durchführung der Entwaldungsverordnung in den kommenden Monaten nachdrücklich und offensiv gegenüber der Europäischen Union zu vertreten. Davon können alle nur profitieren: die Unternehmen entlang der Lieferkette, die Farmer und besonders die von Landumwandlung bedrohten Waldregionen.