Menschenrecht auf Nahrung und Ernährungssysteme in Brasilien
Die jüngsten Erfahrungen Brasiliens bei der Formulierung und Umsetzung politischer Maßnahmen, die auf Ernährungssouveränität und -sicherheit (SSAN¹) und das Menschenrecht auf angemessene und gesunde Nahrung (DHA) abzielen, haben internationale Anerkennung gefunden. Als Erbe des bahnbrechenden Ansatzes von Josué de Castro, der das Tabu des Hungers auflöste, indem er ihn als Produkt menschlichen Handelns darstellte, entstanden mit dem Ende der Militärdiktatur und der Re-Demokratisierung des Landes Ende der 1980er Jahre breite soziale Mobilisierungen für eine Ethik in der Politik, die den Hunger als Verweigerung der Staatsbürgerschaft anprangerte. Zu dieser Zeit entstand das „SSAN/DHA-Politikfeld“, dass die öffentliche Debatte und die Ausarbeitung sektorübergreifender und partizipativer Politiken ab 2003 stark beeinflusste.
Die Existenz eines Nationalen Rates für Lebensmittel- und Ernährungssicherheit (CONSEA) unter der Präsidentschaft der Republik, die regelmäßige Abhaltung von Nationalen Lebensmittel- und Ernährungskonferenzen, die Einrichtung einer interministeriellen Lebensmittel- und Ernährungskammer, die Verabschiedung eines organischen Lebensmittel- und Ernährungsgesetzes und die Verankerung des Rechts auf Nahrung in der Bundesverfassung bilden den institutionellen Rahmen, auf dessen Grundlage eine Reihe von öffentlichen Maßnahmen konzipiert und umgesetzt wurde, bei denen die Organisationen der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle spielten.
Der Artikel befasst sich auch mit dem anhaltenden Spannungsverhältnis zwischen den Perspektiven und Vorschlägen, die sich aus dem oben genannten Prozess ergeben, und den Konfigurationen der agroindustriellen Lebensmittelsysteme mit großflächigen Monokulturen, hohem Pestizideinsatz und ultra-verarbeiteten Produkten sowie dem wichtigen Streit über Narrative zur Ernährungssicherheit und zum Kampf gegen den Hunger. Zusätzlich zu diesen Widersprüchen und Auseinandersetzungen über Konzepte und Modelle befasst sich der Artikel mit dem Wendepunkt in der Entwicklung des Landes bei der Förderung der Lebensmittel und Ernährungssicherheit (SAN) seit 2016, der fast vollständigen Unterbrechung im Zeitraum 2019-2022 und der jüngsten Wiederaufnahme ab 2023.
Die Darstellung des breiten Spektrums an Politiken, Programmen und Maßnahmen inmitten eines Wiederaufbauprozesses soll Elemente des Lernens aus der sozialen Konstruktion von SSAN/DHA in Brasilien und aus dem institutionellen und öffentlichen politischen Rahmen hervorheben und gleichzeitig Wege aufzeigen, wie die Förderung von SSAN/DHA mit dem Aufbau nachhaltiger, gesunder und auf den Klimawandel reagierender Nahrungsmittelsysteme integriert werden kann. In diesem Sinne werden in den vier Abschnitten, in die der Text unterteilt ist, die Entwicklung und der aktuelle Zustand der Lebensmittel- und Ernährungssicherheit der brasilianischen Bevölkerung, das Problem des Übergangs der Lebensmittelsysteme, die wichtigsten laufenden politischen Maßnahmen und schließlich die Herausforderungen für die Förderung von SSAN/DHA und den Übergang zu nachhaltigen, gesunden und auf den Klimawandel reagierenden Lebensmittelsystemen dargestellt.
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¹Abkürzungen auf Portugiesisch.